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Cultural Fit im Recruiting: Kampf der Kulturen

Cultural Fit im Recruiting

Was nicht passt, wird passend gemacht: Im Recruiting stößt man mit dieser Weisheit schnell an Grenzen, denn die wenigsten Bewerber*innen lassen sich im Nachhinein verbiegen. Entscheidend für den Erfolg einer Stellenbesetzung ist der grundsätzliche „Cultural Fit“ – doch dessen Ermittlung gestaltet sich schwieriger als gedacht.

Fehlbesetzungen gibt es in Unternehmen regelmäßig. Sie kosten Zeit, Geld und sorgen für Frustration – sowohl seitens des Arbeitgebers als auch beim Arbeitnehmenden. Zudem ist es aufwendig, diese im Nachgang zu korrigieren, Kündigungsfristen müssen eingehalten und Nachfolger*innen gesucht und eingearbeitet werden. Die beste Strategie ist es also, Fehlbesetzungen von vornherein zu vermeiden. Dies ermöglicht das Konzept des „Cultural Fit“. Der Begriff beschreibt den Grad der Übereinstimmung zwischen Kandidat*in und dem einstellenden Unternehmen, bezogen auf Denkmuster, Verhaltensweisen und übergreifenden Wertekanon. Bewerber*innen mit einem passenden Fit einzustellen zahlt sich aus, da das Onboarding nachweislich erfolgreicher verläuft, die Frühfluktuation sich verringert und die Motivation der Mitarbeitenden insgesamt höher ausfallen wird.

Wie misst man eine Unternehmenskultur?

Um den Cultural Fit einer bzw. eines Kandidat*in messen zu können, bedarf es einer genauen Vorstellung von der vorherrschenden Unternehmenskultur. Ohne eine klare Definition der Unternehmenswerte ist keine Beurteilung möglich. Da der Begriff „Kultur“ als solcher aber ebenfalls kaum messbar ist, werden in der Regel Verhaltensausprägungen ermittelt, die sich auf die Themen Kommunikation, Führung und Offenheit fokussieren.

Diese Herangehensweise führt jedoch direkt zur nächsten Herausforderung: Die durch die Mitarbeitenden wahrgenommene Unternehmenskultur ist nämlich vor allem eine Führungskultur, die der unmittelbaren Erfahrung mit der eigenen Führungskraft entspringt. Gerade in größeren Unternehmen mit vielen voneinander getrennt arbeitenden Bereichen und Abteilungen gibt es daher oft kaum eine übergreifende Unternehmenskultur, sondern eine Vielzahl mehr oder weniger ausgeprägter „Mikrokulturen“, die sehr stark von der offiziell deklarierten Linie abweichen können. Wie aber soll dann eine vernünftige Kandidat*innenpassung möglich sein?

Eine wichtige Grundvoraussetzung ist es, die jeweilige Führungskraft eng in den Recruitingprozess einzubinden. Sind im Vorfeld die Erwartungen an die bzw. den gesuchten Kandidat*in klar definiert und auch die Besonderheiten der Führungskraft berücksichtigt, steigt die Chance, die jeweilige Vakanz erfolgreich zu besetzen.

Vielfalt trotz kultureller Passung

An dieser Stelle sei allerdings auch auf ein gefährliches Missverständnis hingewiesen. Das Konzept des Cultural Fit darf nämlich nicht mit dem verbreiteten Beurteilungsfehler verwechselt werden, insbesondere solche Eigenschaften positiv zu bewerten, die eine hohe Übereinstimmung mit denen des Bewertenden aufweisen: Leider ist es ein bekanntes Problem im Recruiting, dass Führungskräfte meist Kandidat*innen präferieren, die ihnen ähneln.

Im Rahmen einer passungsorientierten Recruitingstrategie besteht daher die Gefahr, dass durch einen falsch verstandenen Cultural-Fit-Ansatz die kulturelle Vielfalt im Unternehmen leidet. Hier ist es wichtig, zwischen dem „Supplementary Fit“ und dem „Complementary Fit” zu unterscheiden.

Ganz nach dem Motto „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ zielt der Supplementary Fit darauf ab, vor allem solche Kandidat*innen einzustellen, die die Unternehmenskultur bereits bestmöglich widerspiegeln. Der Complementary Fit beschreibt den gegenteiligen Ansatz: Hier sucht man gezielt nach Kandidat*innen mit Eigenschaften, die dem Unternehmen heute noch fehlen.

Bauchgefühl und digitale Helfer

Personalentscheider*innen stehen heute diverse Ansätze zur Auswahl, die versuchen, den Cultural Fit der Kandidat*innen zu messen. So bieten Tools wie der „Cultural Fit Evaluator“ der Unternehmensberatung metaHR oder der „KulturMatcher“ des Anbieters Cyquest webbasierte Matching-Verfahren für den Einsatz im Rekrutierungsprozess oder als zusätzliches Tool auf Karrierewebseiten. Das Problem: Aufgrund des Settings tendieren beide Tools dazu, sozial erwünschte Antworten herbeizuführen. Da die Kandidat*innen eine Selbsteinschätzung abgeben, werden vermeintlich positive Antworten präferiert („Teamwork“ ist dabei zum Beispiel positiver konnotiert als „Einzelkämpfer“).

Zudem erfolgt das Matching gegen eine vorab definierte Unternehmenskultur, die mitunter nicht der Realität, sondern vielmehr dem Wunschbild des Arbeitgebers entspricht. Einen etwas anderen Ansatz verfolgt der „Kulturkompass“ des Onlineportals kununu. Die Unternehmenskultur wird hier in Form einer offenen Mitarbeitendenbefragung auf dem Arbeitgeberprofil des Unternehmens gemessen. Voraussetzung für ein realistisches Abbild ist natürlich, dass eine hinreichend hohe Anzahl von Mitarbeitenden an dem Verfahren teilnimmt.

Ob mit oder ohne digitale Unterstützung: Der Cultural Fit sollte als wichtige Größe in jedem Rekrutierungsprojekt mit bedacht werden. Insbesondere bei erfolgskritischen Funktionen lohnt dabei auch der Einsatz einer bzw. eines externen Beraterin bzw. Beraters. Diese*r kennt das Unternehmen idealerweise bereits aus vorhergehenden Projekten, ist mit Kultur und Mikrokulturen vertraut und kann diesbezügliche Aussagen mit konkreten Beispielen untermauern. Als unabhängige*r Dritte*r schützt sie bzw. er zudem vor Beurteilungsfehlern und einer rein ähnlichkeitsbasierten Auswahl – den verbreitetsten Fallstricken im Zusammenhang mit einer kulturbasierten Personalauswahl.

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