
Ein junger Mann verlässt die akademischen Gefilde der Universität, taucht in unerschlossene Welten ein, experimentiert mit Konzepten, die zunächst auf Unverständnis stoßen, und etabliert schließlich eine Marke, die die gesamte IT-Landschaft nachhaltig prägt – klar, die Rede ist von Steve Jobs, einem der prominentesten Quereinsteiger der Wirtschaftsgeschichte.
Biographien wie diese verdeutlichen das spannende Potenzial, das entsteht, wenn Menschen von geradlinigen Karrierepfaden abweichen und in für sie neue Domänen einsteigen. Diese sogenannten Quereinsteiger*innen bringen Entschlossenheit und ebenso Vielseitigkeit und frische Perspektiven mit.
Ein Grund mehr für Unternehmen, sich – wo immer es geht – auch diesen Kandidat*innen zu öffnen.
Worauf es dabei ankommt und welche Chancen, aber auch Herausforderungen das Recruiting von Quereinsteiger*innen mit sich bringt, wollen wir in diesem Beitrag einmal genauer unter die Lupe nehmen.
Definition und Relevanz von Quereinstiegen im aktuellen Arbeitsmarkt
Der Begriff „Quereinsteiger*in“ bezeichnet Menschen, die ohne branchenübliche Ausbildung oder den klassischen Bildungsweg in ein neues Berufsfeld eintreten und dort ihre transferierbaren Kompetenzen und Erfahrungen aus anderen Bereichen einbringen.
Besonders interessant wird dies natürlich dort, wo ein hoher Fachkräftemangel immer größere Löcher in die Personaldecke reißt.
Laut dem XING Arbeitsmarktreport 2024 sind 75 Prozent der dazu befragten Recruiter*innen der Meinung, dass Quereinsteiger*innen der Schlüssel im Kampf gegen den Fachkräftemangel sein könnten. Die Studie zeigt auch, dass für 57 Prozent der HR-Verantwortlichen Quereinsteiger*innen bei Neueinstellungen die gleichen Chancen haben wie Bewerber*innen mit einem fachlich traditionellen Werdegang. Acht Prozent behandeln sie sogar bevorzugt.
Laut Fachkräftestrategie der Bundesregierung herrschte bereits 2023 ein eklatanter Fachkräftemangel in den Bereichen IT, Pflege, Handwerk und Ingenieurwesen. Allein in der IT-Branche gab es in diesem Zeitraum laut Bitkom rund 137.000 unbesetzte Stellen – Tendenz steigend. Für das Jahr 2024 meldet das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) insgesamt rund 340 Engpassberufe – wieder besonders betroffen: Bildung, Pflege, Handwerks- und Technikberufe.
Demgegenüber stehen Menschen, die statt klassischer Lebensläufe Erfahrungen aus verschiedenen Branchen und Bereichen mitbringen und damit durchaus Vorteile für Unternehmen und ihre bislang nicht besetzbaren Stellen.
Die Vorteile von Quereinsteiger*innen
Die ganz unterschiedlichen beruflichen Hintergründe von Quereinsteiger*innen sorgen für neue Perspektiven, und ihre Erfahrungen aus anderen Branchen können zu wertvollen Impulsen führen. Sie bereichern ihre neuen Tätigkeitsfelder oft durch unkonventionelle Ansätze und können so zu Innovation und Veränderung beitragen. Zudem entscheiden sich viele von ihnen ganz bewusst für einen Wechsel und bringen daher eine hohe Lernbereitschaft und Motivation mit. Ein weiterer Vorteil ist ihre Flexibilität: Da sie nicht an traditionelle Rollenbilder oder Denkmuster gebunden sind, können sie auf neue Anforderungen besonders flexibel reagieren. Häufig punkten Quereinsteiger*innen auch mit ausgeprägten sozialen Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke oder Belastbarkeit, die sie in ihrem bisherigen Werdegang erworben haben.
Herausforderungen und Risiken
Trotz zahlreicher Vorteile müssen Unternehmen auch einige Herausforderungen berücksichtigen, wenn sie Quereinsteiger*innen einstellen. Oft verfügen diese nicht über spezifisches Fachwissen und benötigen daher eine längere und intensivere Einarbeitungsphase. Hinzu kommt, dass ihnen in vielen Branchen ein gut gepflegtes berufliches Netzwerk fehlt, was sie insbesondere zu Beginn ihrer neuen Karriere einschränken kann. Nicht zuletzt begegnen bereits bestehende Teams Quereinsteiger*innen manchmal mit einer gewissen Skepsis, insbesondere wenn klassische Qualifikationen fehlen. Und in bestimmten Bereichen kann die Eingruppierung von Quereinsteiger*innen in bestehende Vergütungssysteme und Tarifstrukturen sehr komplex sein und eine sorgfältige Bewertung ihrer transferierbaren Kompetenzen erfordern.

Strategien zur Integration von Quereinsteiger*innen
Damit die Integration von Quereinsteiger*innen gelingt, sollten Unternehmen auf gezielte Strategien setzen. Der Auswahlprozess sollte weniger auf klassischen Qualifikationen basieren, sondern vielmehr auf den Kompetenzen und dem Potenzial der Bewerber*innen. Probetage können helfen, die Eignung für die Position besser einzuschätzen. Ebenso wichtig ist eine strukturierte Einarbeitung. Ein gut durchdachtes Onboarding-Programm unterstützt Quereinsteiger*innen dabei, ihre neue Rolle schnell und effizient auszufüllen. Mentoring-Programme können zusätzlich helfen, sich im Unternehmen besser zurechtzufinden und ein berufliches Netzwerk aufzubauen. Auch die Bereitstellung von Schulungen und Weiterbildungsangeboten ist entscheidend, um notwendiges Fachwissen schnell aufzubauen. Eine offene Kommunikation innerhalb des Teams fördert darüber hinaus eine Kultur der Offenheit und Unterstützung, wodurch mögliche Vorurteile oder Konflikte vermieden werden können.
Lösungsansätze und Best Practices für die erfolgreiche Integration von Quereinsteiger*innen
Um die Risiken zu minimieren und die Vorteile optimal zu nutzen, können Unternehmen verschiedene Strategien anwenden:
1. Recruiting nach Kompetenzen statt nach Schlagwörtern
Statt Lebensläufe vor allem nach Fachkenntnissen, formalen Abschlüssen, Branchenexpertise und Berufsjahren abzuscannen, sollten Personaler*innen hinterfragen, welche Kompetenzen und Werte Kandidat*innen benötigen, um langfristig in ihrer Rolle sowie im Unternehmen erfolgreich zu sein.
2. Active Sourcing
Um Personaler*innen dabei zu unterstützen, Quereinsteiger*innen mit passenden Kompetenzen und Soft Skills zu finden, kann Active Sourcing hilfreich sein. Hier kann strategisch ermittelt werden, welche ähnlichen Zielgruppen infrage kommen könnten, um diese dann gezielt anzusprechen.
3. Mentoring-Programme einrichten
Mentor*innen für einzelne Gruppen und Personen leisten durch ihre persönliche Begleitung einen wichtigen Beitrag, damit Integration besser gelingt. Für diese Aufgabe sind erfahrene Mitarbeitende geeignet, die das Unternehmen lange kennen, in der Belegschaft einen guten Stand haben und eine hohe soziale Kompetenz mitbringen.
4. Erwartungsmanagement gestalten
Bevor freie Stellen mit Quereinsteiger*innen besetzt werden, sollte sichergestellt sein, dass sich die bzw. der Bewerber*in eine realistische Vorstellung von dem Job, den neuen Kolleg*innen und insgesamt der neuen Umgebung machen kann. Im Jobinterview sollten daher auch Fragen zur kulturellen Passung miteinbezogen werden.
5. Möglichkeiten für Aus- und Weiterbildungen schaffen
Ein gewichtiger Punkt bei der Gewinnung und Bindung von Quereinsteiger*innen ist das Angebot für Aus- und Weiterbildung. Empfehlenswert sind „Trainings on the Job“ in Form von begleitenden, intensiv betreuten Schulungsprogrammen, die sowohl theoretische Inhalte vermitteln als auch die praktische Umsetzung im Betrieb.
6. Diversity-Training für Personalentscheider*innen
Personalentscheider*innen benötigen, so wie alle Mitglieder eines Unternehmens, regelmäßig Trainings für Diversity Management und zur Überwindung von unbewussten Denkmustern („Unconscious Bias“). Speziell Quereinsteiger*innen im höheren Alter werden gern übersehen, obwohl sie durch persönliche Entwicklung und jahrelange, vielfältige Erfahrung einen wertvollen Beitrag für Unternehmen leisten können.
Fazit
Die Einstellung von Quereinsteiger*innen kann für Unternehmen eine große Chance sein, insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels. Mit ihren unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen bringen sie frische Ideen und wertvolle Soft Skills mit. Gleichzeitig erfordert dieser Ansatz eine gezielte Vorbereitung und Begleitung, um die Herausforderungen zu meistern und das Potenzial voll auszuschöpfen.
Unternehmen, die bereit sind, sich auf Kandidat*innen mit unkonventionellen Lebensläufen einzulassen und in deren Entwicklung zu investieren, können langfristig neue Talente gewinnen, erhöhen ihre Chance, ihre Innovationsfähigkeit zu stärken und positionieren sich insgesamt als attraktive Arbeitgeber.