Lebenslauf, Qualifikationen, Zeugnisse – das sind bislang noch die Zutaten der klassischen Bewerbung. Doch in einer zunehmend digitalisierten Welt, in der künstliche Intelligenz (KI) und datengetriebene Technologien neue Möglichkeiten eröffnen, stellt sich die Frage: Sind diese Bewerbungsunterlagen überhaupt noch zeitgemäß?
In diesem Blogbeitrag beleuchten wir, welche Argumente für und welche gegen die klassischen Bewerbungsunterlagen sprechen und welche Alternativen in der Praxis an Bedeutung gewinnen.
Ein Blick in die klassische Bewerbungsmappe
Typische Bewerbungsunterlagen umfassen eine festgelegte Zusammenstellung von Dokumenten, die Bewerber*innen einreichen, um ihre Qualifikationen und Erfahrungen zu präsentieren. Was in dieser Hinsicht beispielsweise von angehenden Auszubildenden erwartet wird, zeigt ein Blick in die Azubi-Recruiting-Trends, die u-form Testsysteme, Dienstleister für digitale Ausbildungslösungen, jährlich erhebt. Demnach bewerten 80 Prozent der Ausbilder*innen Lebensläufe als besonders wichtiges Elementder Bewerbung, gefolgt von Schulzeugnissen mit 74 Prozent und Anschreiben mit 62 Prozent. Hinsichtlich der Aussagekraft halten 61 Prozent Praktikumszeugnisse und 59 Prozent Schulzeugnisse für relevant.
Auch nach der Ausbildung gehören laut Bundesagentur für Arbeit ein Anschreiben, ein Lebenslauf mit Foto und Zeugnisse zu einer vollständigen Bewerbung. Allerdings hat zumindest das Anschreiben in der Praxis an Bedeutung verloren.
Häufig werden alle Unterlagen in einer PDF-Datei für die digitale Einreichung oder in einer physischen Bewerbungsmappe für die Papierbewerbung zusammengefasst. Die Erwartungen an die einzureichenden Unterlagen können je nach Branche, Unternehmen und regionalen Gepflogenheiten leicht variieren.
Pro: Das spricht für klassische Bewerbungsunterlagen
1. Strukturierter Überblick über Qualifikationen
Klassische Bewerbungsunterlagen bieten einen klaren, strukturierten Einblick in die berufliche und persönliche Laufbahn einer/eines Kandidat*in und ist für Personalverantwortliche eine bewährte Methode, um eine erste Einschätzung über die Eignung einer/eines Kandidat*in zu treffen.
2. Persönliche Note durch das Anschreiben
Das Anschreiben gibt Kandidat*innen die Möglichkeit, ihre Motivation und Persönlichkeit zu präsentieren. Es ergänzt die sachliche Darstellung des Lebenslaufs durch individuelle Aspekte und zeigt, wie gut sich ein*e Bewerber*in mit dem Unternehmen und der ausgeschriebenen Position auseinandergesetzt hat.
3. Traditionelle Standards wahren
Viele Unternehmen, insbesondere in konservativen Branchen, setzen auf klassische Bewerbungsunterlagen und sehen darin einen Beweis von Professionalität und Ernsthaftigkeit der Bewerber*innen.
Contra: Warum klassische Bewerbungsunterlagen nicht mehr zeitgemäß sein könnten
1. Fehlende Aussagekraft über Soft Skills
Abgesehen vom Anschreiben konzentrieren sich typische Bewerbungsunterlagen hauptsächlich auf Hard Skills und den berufliche Werdegang. Doch gerade Soft Skills wie Teamfähigkeit, Anpassungsfähigkeit oder Kreativität werden in der modernen Arbeitswelt immer wichtiger.
2. Zeitaufwand und Ineffizienz
Die Erstellung klassischer Unterlagen kann für Kandidat*innen zeitaufwändig sein, gleichzeitig investieren Recruiter*innen viel Zeit in die Sichtung der Unterlagen – und das, obwohl die Aussagekraft der Unterlagen ggf. nicht umfassend ist (s. oben).
3. Potenzial für Diskriminierung
Klassische Bewerbungsunterlagen enthalten häufig Informationen, die unbewusste Vorurteile fördern können. Dazu zählen Angaben wie Name, Geschlecht, Alter oder Herkunft. Dies kann die Objektivität im Auswahlprozess beeinträchtigen und zu Diskriminierung führen.
Alternative Bewerbungsverfahren
Mittlerweile gibt es eine Reihe von Alternativen zur klassischen Bewerbungsmappe. Vier der wichtigsten stellen wir hier vor:
1. Video-Bewerbungen
Bewerber*innen können ihre Persönlichkeit und Motivation direkt präsentieren. Dies ermöglicht einen authentischeren Eindruck, birgt jedoch auch die Gefahr, dass visuelle Eindrücke Vorurteile verstärken.
2. Gamification und Simulationen
Bewerber*innen durchlaufen spielerische Aufgaben oder realitätsnahe Simulationen, die relevante Fähigkeiten direkt testen. Dies eignet sich beispielsweise besonders für technische oder kreative Berufe.
3. Digitale Portfolios
Kandidat*innen präsentieren ihre Projekte, Arbeiten oder Erfolge online, was einen umfassenderen Einblick in ihre Fähigkeiten bietet.
4. Social Recruiting und Netzwerke
Die Bewerber*innen verweisen auf Plattformen wie LinkedIn oder Xing, auf denen sie sich, ihren Werdegang und ihre Kompetenzen umfassend darstellen. Dies ermöglicht eine direkte Ansprache von Talenten und bietet ggf. relevantere Informationen als ein Lebenslauf.
Die Rolle von KI im Recruiting: Herausforderung und Chance
Die Integration von KI in den Bewerbungsprozess bringt zahlreiche Vorteile mit sich, stellt jedoch teils auch vor nicht unerhebliche Herausforderungen:
- Automatisierte Vorauswahl
KI-gestützte Tools können Lebensläufe scannen, Keywords identifizieren und geeignete Kandidat*innen automatisch auswählen. Dies reduziert den manuellen Aufwand, birgt jedoch das Risiko, dass unkonventionelle oder kreative Profile übersehen werden.
- Skill-basierte Assessments
Statt Bewerbungsunterlagen in den Fokus zu rücken, können KI-Tools die tatsächlichen Fähigkeiten der Bewerber*innen anhand von Tests und Simulationen bewerten. Dies liefert ein subjektiveres Bild der Kompetenzen als ein Lebenslauf. Als mögliche Hürde ist zu erwähnen, dass Bewerber*innen diesen Verfahren skeptisch gegenüberstehen können.
- Analyse von Soft Skills
Moderne KI-Systeme können beispielsweise in Videointerviews die Kommunikationsfähigkeiten oder Problemlösungsansätze der Kandidat*innen analysieren und so Informationen liefern, die in klassischen Bewerbungsunterlagen fehlen.
- Transparenz und Fairness
KI kann helfen, Vorurteile zu minimieren, indem sie sich ausschließlich auf objektive Kriterien konzentriert. Dabei ist es natürlich wichtig, die Algorithmen so zu gestalten, dass sie nicht selbst diskriminierende Muster reproduzieren.
KI ja, aber …
Noch sind viele Facetten des Einsatzes von künstlicher Intelligenz im HR-Bereich mit einem Fragezeichen versehen. Dazu gehören Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, Kompetenzverlustes und falscher Schlussfolgerungen durch KI. Viele befürchten zudem, dass der persönliche Kontakt leiden wird. Auch die fehlende Empathiefähigkeit von KI, mangelnde Entscheidungstransparenz, ungeklärte rechtliche Regelungen, moralische Bedenken und hohe Investitionskosten stehen einem breiten Einsatz von KI noch im Wege. Zu diesen Ergebnissen kommt der HR-Report 2024, den Hays in Zusammenarbeit mit dem Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) umsetzte.
Fazit
Klassische Bewerbungsunterlagen haben nach wie vor ihre Berechtigung, insbesondere in traditionellen Branchen oder bei Positionen, die einen klaren Überblick über die Qualifikationen erfordern. Allerdings reicht ihr Informationsgehalt oft nicht aus, um den Anforderungen moderner Arbeitswelten gerecht zu werden.
Unternehmen, die innovativ und zukunftsorientiert rekrutieren möchten, sollten offen für alternative Ansätze sein und klassische Methoden mit modernen Technologien kombinieren. Die Integration von künstlicher Intelligenz, Videobewerbungen oder Skill-basierten Tests kann den Recruiting-Prozess effizienter und objektiver gestalten. Gleichzeitig bleibt es wichtig, den persönlichen Faktor nicht aus den Augen zu verlieren – denn hinter jeder und jedem Bewerber*in steht ein Mensch mit individuellen Stärken und Potenzialen und auch „die Chemie“ muss einfach stimmen. Gerne unterstützen wir auch Sie dabei, Ihre Recruiting-Prozesse zeitgemäß und zielgruppengerecht zu gestalten. Gemeinsam finden wir die perfekte Balance zwischen traditionellen Methoden und innovativen Ansätzen – für ein Recruiting, das Talente nicht nur findet, sondern auch begeistert.